Holzminden (haa). Leere Vereinsräume, rückläufige Mitgliederzahlen und verstaubte Ausrüstung – Zustände, die viele Vereine auf lokaler Ebene nur zu gut kennen. Beim Tennisclub Holzminden 1928 ist das anders: Hier setzt man konsequent auf engagierte Jugendarbeit – mit sichtbarem Erfolg. Zur Wahrheit gehört jedoch auch, dass dieser Erfolg nur durch ein hohes Maß an zeitintensivem Engagement möglich ist. „Das zahlt sich alles aus“, betont Jugendwart Frank Klingspor.
Ein Blick zurück
Vor zwölf Jahren stand der Verein längst nicht dort, wo er heute ist. Damals zeichnete sich eine Entwicklung ab, wie sie viele Vereine betrifft: weniger Kinder, weniger Leben. Frank Klingspor wollte gegensteuern – und übernahm die Position des Jugendwarts. Damit nahm er auch ein enormes Arbeitspensum auf sich. Gerade einmal 16 Kinder zählte der Verein damals – eine Zahl, die sich bald deutlich steigern sollte.
Die zentrale Frage lautete: Wie holen wir Kinder und Jugendliche wieder ins Boot?
„Das ist unsere Zukunft“ wurde zum Leitsatz – und in die Zukunft möchte schließlich jeder sinnvoll investieren.
Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft bestimmten fortan Klingspors Denken. Seit 40 Jahren ist er Mitglied im Verein. In seiner Jugend hatte er ein Vereinsleben erlebt, das beinahe wie aus dem Bilderbuch wirkte. Die Gegenwart war weit davon entfernt – doch die Zukunft sollte das ersehnte Happy End bringen. „Ich wollte, dass die Kinder das gleiche Vereinsgefühl erleben wie ich damals. Es war einfach eine schöne Zeit – und die wollte ich zurückholen“, erklärt Klingspor.
Von Worten zu Taten
Bereits ein Jahr nach seinem Amtsantritt wurden drei Jugendturniere ins Leben gerufen: eines im Frühjahr, eines im Sommer und eines im Herbst. Die „Spring Junior Challenge“ ist das einzige Sandplatzturnier seiner Art in Deutschland. Die starke Resonanz war anfangs nicht absehbar, doch das Ziel wurde klar erreicht: die Jugend wieder für den Verein zu begeistern. Die Turniere wurden schnell zu einem Anziehungspunkt für Spielerinnen und Spieler aus ganz Deutschland. Sogar Niels McDonald, kürzlich Sieger des French Open Junior Tournaments in Paris, spielte bereits in Holzminden. Zuletzt fand erneut das Turnier zum Saisonabschluss statt: die „Blau-Weiss Junior Classics“.
Hier treffen erfahrene Turnierspieler auf Neulinge. Es handelt sich um ein vom Deutschen Tennis Bund (DTB) genehmigtes offizielles Turnier. Dieses Jahr nahmen 70 Kinder und Jugendliche im Alter von 11 bis 16 Jahren teil. „Jedes Jahr freuen sich die Eltern schon Monate vorher, ihre Kinder endlich anmelden zu dürfen“, berichtet Klingspor. Im September folgt das LK-Race-Finale. Zusätzlich richtet der Verein sieben Hallenturniere aus, darunter die Holzminden Open zwischen Weihnachten und Silvester.
Ein Ort zum Wohlfühlen
Auch abseits des Platzes hat sich viel getan. Der Vereinsraum ist heute ein beliebter Treffpunkt – ausgestattet mit Billardtisch, Kicker, Flatscreen, Sofa und stimmungsvoller Beleuchtung. Für viele Kinder ist er weit mehr als ein Pausenraum – er ist Treffpunkt, Rückzugsort und „Wohnzimmer“.
Der Verein setzt bewusst auf Integration durch Sport. Ein Beispiel: das Ukraine-Projekt. Ukrainische Flüchtlingskinder können kostenlos am Training teilnehmen – inklusive Ausrüstung. „Wir wollen Raum schaffen, in dem sich alle willkommen fühlen“, so Klingspor. Rund 40 ukrainische Kinder haben sich rasch ins Vereinsleben integriert. Einige sind Leistungsträger, geben Training oder helfen im Trainerteam – wie Vlada Ilina, die in ihrer Altersklasse die Nebenrunde gewann. Insgesamt sind 18 Nationalitäten im Verein vertreten – der TC Holzminden ist gelebte Vielfalt.
Lokale Sponsoren wie die VR-Bank oder die Braunschweigische Landessparkasse unterstützen das Engagement. Auch die eigene Halle am Stahler Ufer – seit zwei Jahren in Betrieb – wurde zu 80 Prozent durch Sponsoren finanziert. Sie bietet wetterunabhängiges Training und ermöglicht zusätzliche Turniere.
Ein weiteres Projekt mit anderer Zielgruppe: „Play and Stay“. In Kooperation mit der Astrid-Lindgren-Schule können Kinder dienstags und donnerstags kostenlos Tennis ausprobieren. Ziel ist es, früh Interesse zu wecken und langfristig Nachwuchs zu fördern. „Die Kinder auf diese Weise für den Sport zu begeistern und vielleicht sogar eine bisher unentdeckte Leidenschaft zu wecken – das ist ein großer Antrieb hinter diesem Projekt“, erklärt Klingspor.
Hindernisse? Lösungen!
Manche Kinder können aus familiären Gründen nicht zum Training gebracht werden. Der Verein reagierte pragmatisch: Mit dem Vereins-Bulli – beschriftet mit dem Slogan „Wir bewegen eure Kinder“ – werden die Schüler direkt von der Schule abgeholt und zum Training gefahren. „Das erleichtert vielen Familien den Alltag“, erklärt der zweite Sportwart Karsten Jung.
Nach dem Training wartet eine kleine Belohnung: ein Eis aus dem Vereinsheim-Kühlschrank. Zwei Wochen kosten den Verein damit rund 120 Euro. Doch erst kürzlich durfte er sich über eine „Eis-Spende“ in Höhe von 180 Euro freuen – gespendet von einem Vater eines Vereinsmitglieds.
Leistung fördern – Talente begleiten
Der Verein fördert auch besonders talentierte Kinder: Fünf sind derzeit im „Future-Kader“ und erhalten gezielte Unterstützung. „50 Prozent sind Wille und Einsatz, 50 Prozent mentale Stärke“, sagt Klingspor. „Wir helfen, beides zu entwickeln.“
Das Training beim TC Holzminden spricht sich herum – bei Kindern und Eltern. Heute zählt der Verein über 200 Kinder und Jugendliche. Zum Vergleich: Vor zwölf Jahren waren es 16. Damit hat der TC Holzminden den zweitstärksten Zulauf in ganz Niedersachsen. „Der Verein lebt von Mundpropaganda“, betont Klingspor.
Der Schlüssel zum Erfolg?
Der Zusammenhalt zwischen Trainern, Kindern und Eltern sei von enormer Bedeutung. „Das ist unsere Antriebsfeder“, so Klingspor. Was es dafür braucht? Herzblut. „Natürlich ist es viel Arbeit. Aber wenn die Kinder glücklich sind, ist alles vergessen. Dann zahlt sich das alles aus.“
In Zeiten hoher Fluktuation ist es nicht leicht, gute Trainer zu finden. Der Verein freut sich daher über qualifizierte Neuzugänge. Auch ein Freiwilliges Soziales Jahr ist beim TC Holzminden möglich. Dafür musste der Verein im Vorfeld bestimmte Anforderungen erfüllen. Jordina Fadaeeyani, seit zehn Jahren im Verein aktiv, hat ihr FSJ bereits angetreten. „Der Verein ist wie ein zweites Zuhause. Es fühlt sich an wie eine große Familie“, sagt sie – und beweist: Die Jugendarbeit des TC Holzminden 1928 ist ein voller Erfolg.
Fotos: haa