Holzminden (red). Das Fahrradfahren ist im vergangenen Jahr immer beliebter geworden. Das haben unter anderem die erstaunlich guten Verkaufszahlen von Fahrrädern im letzten Jahr gezeigt. Viele Menschen haben das Fahrradfahren für sich entdeckt oder wieder-entdeckt; als Alternative zu den öffentlichen Verkehrsmitteln in Zeiten von Corona, als schnelles und CO2-neutrales Verkehrsmittel, für die täglichen, kurzen Wege oder als sportliches Vehikel für die Freizeit an der frischen Luft. So liegt die Frage nahe, ob das Rad als Verkehrsmittel neben dem Auto im Straßenverkehr den Raum bekommt, den es benötigt, damit ein verkehrssicheres Radfahren möglich ist. Eine Novelle der Straßenverkehrsordnung von April 2020 besagt, dass Kfz-Fahrer*innen einen festgeschriebenen Mindestüberholabstand von 1,5 m innerorts und 2,0 m außerorts beim Überholen von Radfahrer*innen einhalten müssen. Ein geringerer Abstand stellt nach § 49 StVO eine Ordnungswidrigkeit dar und wird dementsprechend geahndet. 

Wer regelmäßig mit dem Rad in Holzminden auf der Straße unterwegs ist, kann immer wieder feststellen, dass nicht alle Autofahrer*innen beim Überholen genügend Abstand einhalten. Dieser gefühlte Eindruck wurde nun durch Abstandsmessungen bestätigt. Inspiriert von der Quarks Sendung (WDR 10.12.20) hat die „Verkehrsinitiative Nachhaltige Mobilität“ im Januar 2021 Messungen in Holzminden durchgeführt. 

Das Ergebnis ist ernüchternd. In der Liebigstraße zwischen Sollingstraße und Bebelstraße haben 85% der Autofahrer*innen weniger als 1,5 m Abstand eingehalten. Bei 40% waren es sogar weniger als 1 Meter. Ähnlich hohe Werte wurden im Bereich Neue Straße und Karlstraße gemessen. Überraschend war, dass sogar auf der breiten Allersheimer Straße, wo genügend Platz zum Überholen gegeben wäre, nur von 23 % der Fahrzeuge der vorgeschriebene Abstand eingehalten wurde. Die engsten und gefährlichsten Begegnungen gab es auf der Sollingstraße. Mehrere Fahrzeuge brachten den Testfahrer bei nur 60 cm Abstand in Bedrängnis. Die Gefahrensituationen entstehen hauptsächlich durch Überholen an Engstellen trotz Gegenverkehr und im Kreuzungsbereich ungeachtet einer durchgezogenen Fahrbahnmarkierung, die das Überholen eigentlich untersagt. 

Thomas Riess von der „Verkehrsinitiative Nachhaltige Mobilität“ meint dazu: „Ein zu geringer Abstand kann Fahrradfahrer*innen ins Straucheln oder sogar zu Fall bringen, was unter Umständen lebensgefährliche Verletzungen zur Folge haben kann. Fahrradfahrer*innen haben keine sie schützende Karosserie um sich herum. Bedenkt man, dass ein großer Prozentsatz der Fahrradfahrer*innen Kinder und Jugendliche sind, die mit dem Fahrrad zur Schule fahren, ist mehr Sicherheit im Straßenverkehr für Radfahrer*innen unbedingt erforderlich. “ Um das Fahrradfahren in Holzminden für Radfahrer*innen sicher zu gestalten, bitten die Mitglieder der „Verkehrsinitiative Nachhaltige Mobilität“ dringend darum, den nötigen Abstand einzuhalten und im Zweifelsfall lieber kurzzeitig hinter dem Fahrrad zu bleiben und zu warten, bis ein gefahrloses Überholen möglich ist. Die Fahrer*innen von PKWs und LKWs mögen bedenken, dass auch Radfahrer*innen bisweilen unerwartet Hindernissen ausweichen müssen. Die „Verkehrsinitiative Nachhaltige Mobilität“ rechnet mit der Unterstützung der Polizei in Form von regelmäßigen Kontrollen der Geschwindigkeit und der Überholmanöver. An besonders gefährlichen Straßen-Abschnitten könnten Überholverbotszonen eingerichtet werden, um gefährliche Überholmanöver zu verhindern. Dafür wurde extra das neue Straßenverkehrszeichen 277.1 "Zweiräder überholen verboten" durch die o.g. Novelle der Straßenverkehrsordnung eingeführt. Auch Geschwindigkeitsbegrenzungen können gefährliche Situationen entschärfen. Alexander Titze ergänzt: "Es ist wünschenswert, dass Kfz-Fahrer*innen ein Bewusstsein dafür entwickeln, dass sie durch das Überholen von Radfahrenden ohne das Einhalten des gesetzlich vorgeschriebenen Abstands, diese in sehr gefährliche Situationen bringen. Ein freundliches, rücksichtsvolles und vorausschauendes Miteinander ist auch im Straßenverkehr wünschenswert und würde die Sicherheit von Radfahrenden erheblich verbessern.“