Holzminden (lbr). Der Bau des neuen Frauenhauses in Holzminden schreitet voran – bereits im Juli soll die Bauabnahme erfolgen. Während eines Rundgangs durch das denkmalgeschützte Fachwerkhaus zeigt sich Bürgermeister Christian Belke optimistisch: „Ich bin absolut zuversichtlich, dass wir rechtzeitig fertig werden.“
Acht Apartments, barrierefreier Zugang
Das dreigeschossige Gebäude wird künftig acht Apartments mit jeweils eigenem Badezimmer bieten. Zwei dieser Wohneinheiten sind für Mütter mit Kindern konzipiert, eine ist barrierefrei und für eine Rollstuhlfahrerin geeignet. Ergänzt wird das Raumangebot durch ein Büro, einen großzügigen Aufenthaltsraum sowie eine moderne Küche. Der Einbau des Fahrstuhls ist bereits für die kommende Woche geplant. Belke kennt das Haus als Vorsitzender der Friedrich und Julie Wernecke Stiftung wie seine Westentasche – besonders, weil das Projekt bisher nicht reibungslos verlief.
Rückblick: Baustopp und Neuausrichtung im Jahr 2022
Nachdem zunächst alles planmäßig anlief, kam es im Mai 2022 zum Baustopp. Grund waren gravierende Baumängel. In den folgenden Monaten wurden verschiedene Alternativen geprüft: das Ende des Projekts, ein Abriss und Neubau, der Wechsel des Objekts oder die Fortsetzung der Sanierung mit erheblich höheren Mitteln. Letztlich fiel die Entscheidung für den Fortbestand, da die Fördermittel des Bundes bereits an das Objekt gebunden waren und die Voraussetzungen für ein Frauenhaus sehr spezifisch sind.
Im Oktober 2022 ergab sich eine Finanzierungslücke in Höhe von rund einer Million Euro. „Durch den deutlich größeren Bauaufwand (wegen der Baumängel) und die hohe Inflation haben sich die Baukosten jedoch zwischenzeitlich fast verdoppelt. Dadurch lag eine Finanzierungslücke von einer Million Euro vor“, berichtet Belke. Um diese zu schließen, wurde beim BAFzA im Februar 2023 ein Antrag auf zusätzliche Fördermittel gestellt – mit Erfolg. Der neue Fördermittelbescheid traf im Januar 2024 ein.
Ein Haken bleibt: Ein deutlicher Wermutstropfen war jedoch, dass die kompletten Fördergelder noch im Jahr 2024 verausgabt werden müssen und nicht in das Jahr 2025 übertragen werden können. Sollten Arbeiten nicht rechtzeitig abgeschlossen oder nicht über andere Mittel gedeckt werden können, greifen Garantien von Landkreis und Stadt. Bisher sieht es so aus, als würde eine höhere fünfstellige Summe insgesamt überbleiben – diese Finanzierungslücke werde dann von Stadt und Landkreis gedeckt.
Noch immer gilt es, Hürden zu überwinden
Doch noch immer gibt es einige Hürden zu überwinden. Ein Architekt, der vom Fördermittelgeber, dem Bundesamt für Familie und zivilgesellschaftliche Aufgaben (BAFzA), beauftragt wurde, kritisiert beispielsweise die Durchlässe in den zwei oberen Apartments, da diese nicht der DIN-Norm entsprechen würden. Jedoch ist eine andere Variante nicht zu realisieren, da das Haus unter Denkmalschutz steht. Diese Kritikpunkte seien nicht zu 100 Prozent zu lösen, dennoch baue man im Bestand und habe immer gute Kompromisse gefunden. Mit der Bauabnahme sollen dann alle Unstimmigkeiten aus der Welt geschafft werden.
Großer Rückhalt aus Politik, Handwerk und Gesellschaft
„Es ist beachtlich, wie viel Engagement und Wille in diesem Projekt stecken. Der Kreistag und der Rat der Stadt standen immer zu 100 Prozent hinter dem Projekt. Die regionalen Handwerksbetriebe standen größtenteils zu ihren Preisen aus dem Jahr 2022 und hielten sich auch an den engen Zeitplan“, erklärt Belke. Auch die Bevölkerung zeigte sich engagiert: Zahlreiche Spendenaktionen untermauerten die breite gesellschaftliche Unterstützung.
Ein Schutzraum für Frauen
Auf die Frage, ob er ein solches Projekt noch einmal angehen würde, antwortet Belke ohne Zögern: „Ja, würde ich. Jede dritte Minute erfährt eine Frau in Deutschland durch ihren Partner oder Ex-Partner Gewalt. Alle 48 Stunden verstirbt eine Frau in Deutschland durch ihren Partner oder Ex-Partner. Frauen, die Gewalt erfahren, brauchen sichere Räume. Ich glaube, mit diesem Raum haben wir einen Schutzraum geschaffen, in dem Frauen nicht nur sicher, sondern sich auch wohlfühlen können, um Kraft zu tanken.“
Fotos: lbr