Holzminden (red). Einen besseren Überblick über die demografischen Daten bekommen, um eine genauere Standortbestimmung vornehmen zu können: Das war die Forderung beim letzten Treffen des Wirtschaftsbeirates, den Landrat Michael Schünemann im letzten Frühjahr für die perspektivische Gestaltung einer wirtschaftlichen Kreisentwicklung  ins Leben gerufen hatte. Die dritte Sitzung in der Georg-von-Langen-Schule Berufsbildenden Schulen Holzminden war demgemäß geprägt von Zahlen.

Für die Datenpräsentation hatten drei verschiedene Experten Datenmaterial vorbereitet. Jessica Schubert aus dem Bereich Kreisentwicklung und Wirtschaftsförderung präsentierte aktuelle Zahlen zur Bevölkerungsentwicklung, während Gerhard Durchstecher, Vorsitzender der Geschäftsführung der Arbeitsagentur Hameln, die Entwicklung des Arbeitsmarktes genauer analysierte. Hans-Joachim Rambow, Leiter der IHK Hannover, Geschäftsstelle Hildesheim/Holzminden, ging schließlich auf das Thema Bildung und Ausbildung näher ein.

Die demografischen Perspektiven des Landkreises, das ergaben alle drei Kurzreferate wenig überraschend, sind alarmierend. Die Einwohnerzahl hat sich in den letzten zehn Jahren erwartungsgemäß um fünf Prozent verringert, was etwa der Einwohnerzahl einer Stadt wie Eschershausen entspricht. Damit verläuft die Bevölkerungsentwicklung in entgegengesetzter Richtung zum derzeitigen niedersächsischen Trend und auch im Verhältnis zum Kreis Höxter. Wobei die Zuwächse sich andernorts hauptsächlich dadurch erklären, dass sich Migranten in anderen Regionen dauerhaft niederlassen. Problematischer noch als die Anzahl der hier Lebenden ist laut Jessica Schubert aber deren Alter. Die Menschen im Landkreis sind überproportional alt, viele der derzeit noch Beschäftigten werden in den nächsten Jahren in Rente gehen. Eine bundesweite Tendenz, die aber aufgrund des geringen Zuzuges in den Landkreis noch stärkere Auswirkungen haben dürfte.

Auch die Anzahl der Schulabgänger*innen ist gemäß den Ausführungen Hans-Joachim Rambows in den letzten Jahren gleichbleibend auf etwa demselben Niveau geblieben, wobei ein knappes Drittel der Kinder und Jugendlichen in den Nachbarlandkreisen beschult wird. Die Anzahl der besetzten Ausbildungsplätze ist demgegenüber zwar gestiegen, was sich aber sehr einfach durch die Bewerber*innen aus anderen Regionen erklären lässt.

Gerhard Durchstechers Fokus wiederum lag auf der Arbeitsmarktentwicklung. Die ist auf den ersten Blick positiv, weil es seit 2011 immerhin mittlerweile 4.500 mehr sozialversicherungspflichtige Beschäftigte im Landkreis gibt. Doch auch das liegt deutlich unter dem Landestrend, die Anzahl der Beschäftigten ist landesweit deutlicher gestiegen. Abgesehen davon wird der Anstieg sozialversicherungspflichtiger Beschäftigter bei gleichzeitig schrumpfendem Anteil an Erwerbsfähigen die Fachkräfteproblematik  dementsprechend künftig noch verschärfen. Was also tun?

Durchstechers doppelter Appell: Die heimischen Wirtschaftsunternehmen sollten sich stärker darauf konzentrieren, die 3.000 noch unqualifizierten Personen im Landkreis zu Fachkräften auszubilden und gleichzeitig Fachkräfte im nicht-europäischen Ausland anzuwerben. Denn in den EU-Ländern hätten alle Staaten im Grunde das gleiche Problem fehlender Fachkräfte. Die Chancen, dass etwa ausgebildete Spanier*innen nach ihrer Qualifizierung bleiben würden, seien eher gering.

In der anschließenden Diskussion wurde deutlich, dass von allen Beteiligten ein Standortmarketing als sinnvoll erachtet wird, um die Vorteile der Region und die Wirtschaftskraft besser hervorzuheben. Denn noch verfügt der Landkreis über eine sehr breit aufgestellte Unternehmensvielfalt mit ungewöhnlich gut auf ihren Einzelmärkten etablierten Betrieben. Kreisbaurat Ralf Buberti und Walter Keitel von der Walter Keitel Tischlermeister GmbH warben dafür, deutlich positiver zu denken. Denn eine erfolgreiche Transformation basiere nicht zuletzt auch darauf, sich selbst in einer guten Umgebung präsentieren. Dass das nicht allein die Aufgabe der Verwaltung sein kann, machte schließlich Landrat Michael Schünemann deutlich. „Ich erwarte da auch von den Unternehmen mehr Engagement.“ Es gehe darum, die Zukunft gemeinsam zu gestalten.

Beim nächsten Treffen ist in größerem Rahmen eine Podiumsdiskussion geplant.

Foto: Landkreis Holzminden